"I set off for Yue today and came there yesterday." Hui Shi

Nadie está solo y nada es sólido: el cambio se resuelve en fijezas que son acuerdos momentáneos.
Octavio Paz, El mono gramático.



I Ring oder das Spiel der wiederkehrenden Zwischenzeit - Katerina Valdivia Bruch


Alles geht und vergeht - alles kommt zurück.
Und das Gehen und Vergehen kommt selber zurück.
Dieses Jetzt da war schon - unzählige Mal war es schon.
Friedrich Nietzsche


Das Spiel beginnt, pünktlich am Bahnhof Gesundbrunnen. Die Teilnehmer steigen in die Ringbahn ein. I Ring beginnt. Zurückbleiben, bitte!

Die Regeln sind klar: eine typische Berliner S-Bahnfahrt, die Beteiligten verwandeln diese in eine spielerische Zeit und unterbrechen in gemeinschaftlicher oder individueller Handlung die Alltäglichkeit.

Die Mitwirkenden treten auf der Bühne auf – die Ringbahn – die kein Anfang und kein Ende hat. Die Akteure: die Künstler und ein Publikum aus zufälligen und geladenen Gästen, die nicht wissen was sich dieses Mal in der Ringbahn ereignen wird. Sie wissen nur, dass es mit Kunst verbunden ist und lassen sich, ähnlich wie bei einer Ausstellungseröffnung, von der Situation begeistern. I Ring bewegt sich dabei zwischen verschiedenen Publikumsebenen: zum Einen das Publikum, welches bewusst die Kunst sucht, und zum Anderen die Fahrgäste, die ohne jegliche Absicht zu Zuschauern werden.

Die Interventionen bei I Ring sind poetische Momente, die uns freuen, irritieren, zum Nachdenken anregen oder zur Teilnahme einladen. Die Fahrgäste haben die Möglichkeit das Spiel zu spielen oder als Beobachter die Handlung zu folgen. Es handelt sich um periodische Einschnitte in der Zeit, die sich in den eigentlichen Prozess der Bahnfahrt einmischen. „Ein unendlicher Prozess kann gar nicht anders gedacht werden als periodisch“, sagt Nietzsche und so ist der Ring, ein Kreis der ständigen Wiederholung und andauernden Bewegung.

Unsere Städte sind geographisch aber auch ideologisch in ein 'Innen' und ein 'Außen' – in ein Zentrum und Peripherie, geteilt. Bemerkenswert gestaltet sich dabei die Konfiguration der Berliner Ringbahn, die das Zentrum der Stadt umkreist und dabei die Zugänge zu den Zielen im Inneren und Äußeren verbindet. Somit umschliesst I Ring ein Mikrokosmos im erweiterten Mikrokosmos der Stadt Berlin.

I Ring, ein Spiel von möglichen Welten, wo ein Cellist in Begleitung von schicken Zuschauern auftritt und kein Geld dafür verlangt; wo eine Geburtstagsfeier ohne Geburtstagskind gefeiert wird; oder wo eine scheinbar ziellose Braut alleine fährt. Bekannte Rituale werden anders betrachtet und zeigen das Spiel von unendlichen Möglichkeiten: sich selbst und die Welt neu zu betrachten und das Befremden als Teil unserer Welt zu integrieren.

Valeria Schwarz glaubt „an eine Kunst, die noch ein Gefühl von Gemeinschaft vermittelt“ und schafft es mit I Ring die Kunst in den Alltag zu bringen und zugleich den Alltag als Kunst zu betrachten. Es ist eine erfrischende und einladende Art mit Menschen in Kontakt zu treten und sie in der Welt des I Rings miteinzubeziehen.

Und ewig gleich des Ringes Durst ist auch mein Durst nach mir: sich wieder zu erreichen, dreht und ringt sich jeder Ring, singt der alte Nietzsche im letzten Wagen der Ringbahn in Berlin.